Hubschruaber auf dem Dach der Windender Backstube

Anne Maurer und Björn Stei­gers Bruder Pierre-Enric Stei­ger

Für eine gute Sache macht Anne Maurer vieles möglich. Auch ein Inter­view mit Pierre-Enric Stei­ger in lufti­ger Höhe – auf dem Dach der Maurer-Back­stube in der Winnen­der Linsen­halde. Von da aus kann man weit blicken. In die Vergan­gen­heit. Und in die Zukunft.

Manch­mal muss man weit zurück­bli­cken, um die Zukunft besser zu machen. In diesem Fall genau 50 Jahre: Am 3. Mai 1969 wurde der acht­jäh­rige Björn Stei­ger auf dem Heim­weg vom Schwimm­bad von einem Auto erfasst. Passan­ten alar­mier­ten sofort nach dem Unglück Poli­zei und Rotes Kreuz. Trotz­dem dauerte es fast eine Stunde, bis der Kran­ken­wa­gen eintraf. Björn starb auf dem Weg ins Kran­ken­haus. Nicht an seinen Verlet­zun­gen, er starb am Schock.

Mangels Bereit­schaft in der Poli­tik, ein flächen­de­cken­des Rettungs­we­sen zu schaf­fen, grün­de­ten Björns Eltern, Ute und Sieg­fried Stei­ger, die Björn Stei­ger Stif­tung als gemein­nüt­zige Orga­ni­sa­tion. Ziel der Stif­tung: den Aufbau der Notfall­hilfe in Deutsch­land anzu­re­gen und diese Aufgabe dann den zustän­di­gen Orga­ni­sa­tio­nen und Behör­den zu über­las­sen.

Anna Maurer im Gespräch mit Björn Steiger

Anne Maurer und Björn Stei­gers Bruder Pierre-Enric Stei­ger, der die Stif­tung heute leitet, erin­nern sich.

Anne Maurer: Ich weiß noch gut, als du … (hält kurz inne) … ich darf doch noch du sagen? Pierre-

Enric Stei­ger: Selbst­ver­ständ­lich!

Anne Maurer: Ich bin übri­gens die Anne (lacht). Also, ich weiß noch gut, wie du als klei­ner Junge hier bei uns in der Bäcke­rei warst.

Pierre-Enric Stei­ger: Die Bäcke­rei hier ist für mich immer noch ein Stück Heimat. Und wenn ich mir hier „mei Mürbs-Hörnle“ kaufe, fühle ich mich immer noch ein biss­chen wie damals. Mit 4 Jahren war ich zum ersten Mal hier. Es hat noch alles ganz anders ausge­se­hen und ich kann mich noch gut an den Umbau von „meinem“ Maurer erin­nern. Für mich immer noch unver­ges­sen ist der Einkauf meiner ersten Digi­tal­uhr. Die gab es exklu­siv hier im Tchibo-Regal. Das war das Größte für mich. Mit blauer Beleuch­tung … (lacht).

Anne Maurer: Ja … der Tchibo … auch eine Ewig­keit her …

Anna Maurer und Björn Steiger stehen an einem Helikopter

„Herr Stei­ger, Ihr Dick­schä­del hat sich durch­ge­setzt, die 110 und die 112 Notruf­nummern werden einge­führt!“ Horst Ehmke (ehem. Post­mi­nis­ter)

Pierre-Enric Stei­ger: Ich freue mich jeden­falls, dass es den Maurer noch gibt. Leider sind nicht viele Geschäfte von damals übrig geblie­ben. Es ist schon so etwas wie Wehmut, wenn ich durch die Winnen­der Markt­straße laufe und es „den Schun­ter“ (Schreib­wa­ren) nicht mehr gibt. Oder „den Schwei­zer“ (Spiel­wa­ren), den „Fink“ … ach, da fehlen leider schon einige von damals.

Anne Maurer: Ja Pierre, „damals“ … wir sitzen nur ein paar Meter von der Unglücks­stelle entfernt, an der dein Bruder vor einem halben Jahr­hun­dert ums Leben kam. Obwohl wir heute viel mehr Verkehr auf den Stra­ßen haben, ist alles viel siche­rer gewor­den. Auch wenn es trau­rig ist: Dein Bruder war es, der den Ausschlag gab, dass sich deine Eltern so für den Aufbau und den Ausbau der Notfall­hilfe einge­setzt haben.

Pierre-Enric Stei­ger: Wir Menschen neigen dazu, aufzu­ge­ben, wenn uns etwas unvor­stell­bar Schlim­mes wider­fährt. Ich kam zwar erst zwei Jahre nach dem Unfall von Björn zur Welt, aber ich weiß, wie sehr einen Tragö­dien tref­fen und auch lähmen können. Ich glaube, das liegt daran, dass wir fassungs­los sind über die Ursa­chen und einfach nicht glau­ben können, wie so etwas ausge­rech­net uns passie­ren kann. Meine Eltern haben erkannt, dass es nicht nur um ihr eige­nes Schick­sal ging, sondern um viel mehr. Denn der Tod von Björn wäre so einfach vermeid­bar gewe­sen. Und damit auch der Tod von unzäh­li­gen ande­ren Menschen.

Anne Maurer: Früher war halt doch nicht alles besser! Es ist im Grunde heute gar nicht mehr vorstell­bar, dass es damals über eine Stunde gedau­ert hat, bis über­haupt ein Kran­ken­wa­gen vor Ort war. Und dass damals der Wagen nur mit einem Fahrer besetzt war, ist mir so aus dem Gedächt­nis verschwun­den, dass ich es erst noch­mal nach­le­sen musste, weil ich es gar nicht glau­ben wollte. „Rück­spie­gel-Rettung“ hieß das damals, weil der Fahrer über den Rück­spie­gel nach dem Pati­en­ten geschaut hat.

Pierre-Enric Stei­ger: Und nicht zu verges­sen, dass es damals gar keine einheit­li­chen Notruf­num­mern gab, mit denen man den Rettungs­wa­gen hätte anfor­dern können.

Anna Maurer und Björn Steiger stehen an einem Helikopter

Anne Maurer: Umso größer ist die Leis­tung deiner Eltern zu bewer­ten, dass sie damals die fehlende Hilfe nicht nur ange­pran­gert sondern sich dafür einge­setzt haben, dass sich hier radi­kal was verän­dert. Ich weiß noch, wie sie damals das Land Baden-Würt­tem­berg und die Bundes­re­pu­blik Deutsch­land verklagt haben. Bis dann 1973 die bundes­weite Einfüh­rung der Notruf­num­mer kam.

Pierre-Enric Stei­ger: Dabei sah es erst gar nicht danach aus. Erst als am 20. Septem­ber 1973 der dama­lige Bundes­kanz­ler Willy Brandt mit seinen Minis­ter­prä­si­den­ten die Einfüh­rung der einheit­li­chen Notruf­num­mern beschlos­sen hatte, kam der im wahrs­ten Sinne „rettende“ Anruf von Post­mi­nis­ter Horst Ehmke. Unver­ges­sen dessen Worte an meinen Vater:

„Herr Stei­ger, Ihr Dick­schä­del hat sich durch­ge­setzt, die 110 und die 112 Notruf­nummern werden einge­führt!“
Horst Ehmke (ehem. Post­mi­nis­ter)

Das war ebenso wich­tig wie befrei­end für meine Eltern. Denn das, was meine Eltern damals auf sich genom­men haben, war mehr als mutig. Und für mich wie all meine Mitar­bei­ter in der Stif­tung Ansporn. Denn auch wir möch­ten unse­ren Teil dazu beitra­gen, dass wir die Zukunft besser und siche­rer machen. Dass man etwas Großes bewe­gen kann, haben meine Eltern gezeigt. In den 70er-Jahren ging es noch um den ersten Notarzt­wa­gen in der Region. Heute geht es um um den Aufbau von Notfall­sys­te­men in Asien und Afrika. Und um Trai­nings für Helfer in Rettungs­hub­schrau­bern.

Anne Maurer: Also so einer, wie er bei uns oben auf dem Dach der Back­stube steht.

Pierre-Enric Stei­ger: Ja genau! … (über­legt) … Anne, bist du schon mal in so einem Hubschrau­ber geses­sen?

Anne Maurer: (Ahnt, was kommt) Also, von mir aus …

Pierre-Enric Stei­ger: Die Idee, diesen Heli hier zu plat­zie­ren, kam von einem gemein­sa­men Freund und Geschäfts­part­ner, Werner Oswald. Da das Modell derzeit nicht als Trai­nings­hub­schrau­ber einge­setzt wird, haben wir nach einem Platz gesucht, der nicht zugäng­lich ist, weil die Menschen viel zu neugie­rig sind, wenn das gute Stück am Boden steht. Und einen schö­ne­ren Park­platz kann ich mir gar nicht vorstel­len, als gut sicht­bar hier auf dem Dach vom Bäcker Maurer.

Anne Maurer: Wir freuen uns sehr, wenn wir etwas für die Björn Stei­ger Stif­tung tun können. Und wir hoffen, dass wir möglichst viele Menschen anspor­nen, sich über die Stif­tung zu infor­mie­ren. Ich wünsche mir ausdrück­lich, dass viele Menschen dabei helfen, Leben zu retten. Zum Beispiel als Pate mit einer Online-Spende. So kann jeder ein klei­ner Schutz­en­gel sein.

Pierre-Enric Stei­ger: Danke, Frau Maurer. Äh: Danke, Anne!

Anne Maurer: Pierre, es war mir eine Freude.

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