Detlef Timmer

Michael Schüt­zen­ber­ger – ein Bild­hauer, der beglei­tet, statt zu formen. Wie eine Hand, die da ist – sanft, wach, bereit.  Wenn er von seinen Skulp­tu­ren spricht, klingt kein Stolz mit. Sondern Warten. Hoffen. „Ich wünsche mir immer, dass es etwas wird“, sagt er leise. Als müsste sich das Werk selbst voll­enden – durch ihn hindurch.

Der Ort

In einem alten Bauern­haus in Streich in den Berglen lebt ein Künst­ler, der wenig Aufhe­bens um sich macht – aber umso mehr um das, was durch seine Hände entsteht. Michael Schüt­zen­ber­ger zwingt nicht, sondern bittet.

Sein Atelier war früher eine Getrei­de­scheune. Heute ist es ein verwin­kel­ter, atmen­der Ort – kein Show­room, sondern ein Raum zwischen Staub und Seele. Zwischen alten Balken, Licht­schlit­zen, schwe­ben­dem Staub, Werk­zeu­gen, Kinder­spiel­zeug und tonnen­schwe­ren Skulp­tu­ren entfal­tet sich ein Leben, das aus dem Mate­rial spricht. Seine Kunst lebt von Mythen, von Geschich­ten, von einem Echo, das älter ist als Worte – und in jeder neuen Skulp­tur weiter­schwingt wie eine leise Antwort auf etwas Urmensch­li­ches. Und doch ist sie ganz gegen­wär­tig. Sie steht da, fest veran­kert in Stein, Holz, Stahl. Und sie scheint zu sagen: „Ich bin hier. Ich schütze nichts –
und viel­leicht gerade deshalb alles.“

Der Weg

Michael Schüt­zen­ber­ger hat keinen klas­si­schen Ausbil­dungs­weg gewählt – er hat in Paris, Wien und Stutt­gart Bild­haue­rei studiert und sich seinen eige­nen künst­le­ri­schen Stand­punkt erar­bei­tet. Er hat das Monu­men­tale gesucht – und fand das Intime. „Zwei oder gar drei Meter faszi­nie­ren mich“, sagt er über die Monu­men­tal­plas­tik. Doch seine wahre Größe liegt nicht im Maßstab, sondern in der Betrach­tung. Gebo­ren wurde er in Back­nang – zu einer Zeit, in der seine Eltern noch zwischen Deutsch­land und Öster­reich lebten. Die Entschei­dung für einen Ort war noch offen, und so fiel seine Geburt in die würt­tem­ber­gi­sche Kultur­stadt. Die Wurzeln aber: öster­rei­chisch. Sein Denken: grenz­über­schrei­tend. Der Groß­va­ter war Lehrer, Philo­soph – und so liegt die Span­nung in seiner Biogra­fie offen da: Intel­lekt und Hand­werk. Geist und Muskel. Mythos und Mate­rial.

Die Werke

Wer durch sein Atelier geht, begeg­net Gesichtern.Manchmal voll­stän­dig – manch­mal nur ein Mund, ein Blick, eine Stirn­falte. Figu­ren mit Ausdruck. Frag­mente voller Geschichte. Michael Schüt­zen­ber­ger ist kein klas­si­scher Beschüt­zer. Und doch: Wer sich durch seine Skulp­tu­ren bewegt, spürt etwas.

Ein Flüs­tern.
Eine Erin­ne­rung.
Eine Haltung.
Eine Hand, die nicht fest­hält –
und gerade deshalb beglei­tet.

Michael Schüt­zen­ber­ger ist kein Engel.
Und doch – ein Schüt­zen­gel.

Die Mythen

Die grie­chi­sche Mytho­lo­gie ist für ihn mehr als ein Thema – sie ist seine Spra­che. Mino­tau­rus, Prome­theus, Orpheus, Eury­dike – keine Zitate, sondern Spie­gel. Er kennt ihre Geschich­ten nicht nur – er lebt mit ihnen. In Gips, Ton, Bronze. Seine Werke erzäh­len nicht nach – sie verkör­pern. Viel­leicht bewahrt er alte Erzäh­lun­gen vor dem

Verges­sen – oder hilft ihnen, in neuer Form zu über­le­ben. Ein kultu­rel­ler Schutz­en­gel.

Die Musik

Schüt­zen­ber­ger spielt auch.
Nicht nur mit Formen – auch mit Tönen.
Wiener Lieder. Gern von Georg Kreis­ler sowie des Duos „Die Strot­tern“. Im Kiosk. In klei­nen Sälen. Mit seiner Frau, einer Pianis­tin. Es ist eine Musik, die zu ihm passt wie Patina zu Bronze: warm, schräg, lako­nisch – mit Herz und Hirn zugleich. Sie ist wie seine Kunst: voller Unter­strö­mun­gen, voller feiner Brüche, voller Wahr­heit hinter dem Augen­zwin­kern. Wer ihm zuhört, merkt schnell: Er lebt das, was er schafft – auch auf der Bühne. Nicht um zu gefal­len, sondern um zu verbin­den.

Die Menschen

Wer bei ihm einen Kurs besucht, kommt nicht nur wegen des Mate­ri­als. Es ist die Art, wie er hinsieht. Wie er hinhört. Wie er spürt, wann ein Schlag passt – und wann noch nicht. „Ich bin kein Meis­ter. Aber ich kann’s verdammt gut erklä­ren.“ Das glaubt man sofort. Er zeigt, wie man Stein liest. Wie man erkennt, ob ein Körper sich zeigen will. Wie man mit Feuer arbei­tet, mit Wasser, mit Schwer­kraft. Und dazwi­schen kocht er.

Die Freunde

Michael Schüt­zen­ber­ger ist dem Haus Maurer seit Jahr­zehn­ten verbun­den. Er kennt Tobias Maurer seit Langem – und auch Werner und Anne, Tobias’ Eltern, waren ihm Wegge­fähr­ten. Nicht nur als Kunden, sondern als Menschen. Vor rund drei­ßig Jahren hat Michael für Werner Maurer eine Brezel aus Bronze gegos­sen – als Zeichen der Freund­schaft zwischen zwei Hand­wer­kern. Vom Schmied zum Bäcker. Und so ist auch dieser Text keine Werbung.  Sondern eine Würdi­gung.

Die Haltung

In einer Welt, die drängt und drückt, ist Michael Schüt­zen­ber­ger ein stil­ler Wider­stand. Er arbei­tet mit der Zeit – nicht gegen sie. Er wartet, wo andere forcie­ren. Er lässt zu, wo andere fest­le­gen. Sein Werk stellt keine Forde­run­gen. Und doch bleibt es. Es klingt nach. Michael Schüt­zen­ber­ger wird selbst zum „Schüt­zen­gel“: als jemand, der mit seinen Werken den Blick hebt, schützt, leitet – oder in andere Welten entführt. Der Blick zurück – und nach vorn. Hunderte Skulp­tu­ren sind im Laufe der Jahre entstan­den – viele davon haben längst ihren Platz in Samm­lun­gen oder öffent­li­chen Räumen gefun­den – ein stil­ler Erfolg für jeman­den, der nicht ruft, sondern wirkt. Er lebt nicht vom Hype, sondern von Stille. Sein Werk gedeiht. Sein Ort wächst. Er selbst bleibt – wie seine Figu­ren – wach­send unvoll­endet.

Und was bleibt

Am Ende steht kein Schluss­wort. Sondern ein Raum. Ein Raum zwischen den Dingen. Zwischen Stein und Atem. Zwischen Mythos und Mensch. Michael Schüt­zen­ber­ger ist kein klas­si­scher Bild­hauer.  Er beglei­tet mit seiner Kunst – statt zu beleh­ren.  Er lässt zu, statt zu formen. Er bewahrt – gerade weil er nicht fest­hält. Ein Schüt­zen­gel. Und wer mag, der darf ihn erle­ben.

An Sams­ta­gen ist sein Atelier offen für Grup­pen. Kein Eintritt, kein Auftritt. Einfach kommen, zuhö­ren, stau­nen, verwei­len. Michael sagt nur: „Kommt einfach vorbei.“ Und man spürt, dass ihm dieser Gedanke eines offe­nen, freund­lich gesinn­ten Hauses „in der Seele taugt“ – wie einem klei­nen Wiener Buben, den die Welt einst so beschützt hat, wie er es nun im Sinne geleb­ter Kultur und Mytho­lo­gie für uns alle tut.

Mehr erfah­ren: schuetzenberger.at

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