Tobias Maurer und Christiane Eichenhofer
Zum vierten Ofengespräch habe ich Christiane Eichenhofer zu mir auf die Ofenbank eingeladen. Sie war im Alter von fünf Jahren an Leukämie erkrankt und kämpfte sich, unterstützt von tollen Ärzten, zurück ins Leben. Heute ist sie vollständig geheilt und trotzdem prägt die Krankheit ihr Leben. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, Menschen, die das gleiche Schicksal erleiden, zu unterstützen. Mit der Christiane Eichenhofer Stiftung setzt sie sich seit 1992 für schwerkranke Kinder und ihre Familien ein.
Mit der Tour Ginkgo und 120 Radlern im gelben Trikot rollt sie jährlich durch die Region. Dabei sammelt sie beachtliche Spendenbeträge und informiert, dass es so viele Kinder und deren Familien bei uns gibt, die dringend Hilfe benötigen. Für ihren Einsatz erhielt sie 2006 den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland und 2016 den Verdienstorden des Landes Baden-Württemberg.
Seit 2016 bin ich immer persönlich bei der Tour dabei und genieße den ganz besonderen Flair der Tour-Ginkgo-Familie auf dem Rad. Ich nehme mich dann drei Tage raus aus dem Alltag vom Bäcker Maurer und radle mit. Es ist für mich jedes Jahr und bei jedem Stopp beeindruckend, was wir mit dieser einzigartigen Idee an Geldern sammeln und damit Großartiges bewirken. Es lässt uns förmlich spüren, was wir hier für eine regionale Kraft mobilisieren können. Dieses Jahr bin ich Jahrespate bei der Tour Ginkgo und so ist mir dieses Gespräch mit Christiane eine Herzensangelegenheit.
CE: Oh, danke! Und ja, damals sah es nicht gut für mich aus. Genaugenommen lagen meine Überlebenschancen bei 50%. Also Hopp oder Top. Nur mit viel Glück und dem unermüdlichen Einsatz meines Arztes Dr. Fritz Lampert habe ich es geschafft „da“ zu bleiben. Viele Ärzte hatten mich schon aufgegeben. Doch dann kam Dr. Lampert mit einer neue Methode aus Amerika, bei der ich punktiert wurde und bereits vor Ort meine Zellen ausgewertet wurden. Dadurch konnten mir die passenden Medikamente direkt verabreicht werden. Was im Rückblick dramatisch klingt, habe ich als Kind natürlich gar nicht so wahrgenommen. Im Gegenteil: Die Zeit im Krankenhaus in München war mit die schönste und unbekümmertste meines Lebens.
TM: Vielleicht hat diese Unbekümmertheit ja deine Heilungschancen erhöht.
CE: Ganz bestimmt sogar! Die Normalität und die gemeinschaftliche Atmosphäre in der Klinik haben mir richtig gutgetan. Wir hatten immer Spaß und alle den Schalk im Nacken. Ich erinnere mich gerne daran, wie wir mit den Schwestern „Schwarzer Peter“ gespielt haben. Wer verloren hat, musste sich einen schwarzen Punkt ins Gesicht malen. Die Schwestern sind dann teilweise den ganzen Tag mit schwarzen Punkten im Gesicht durch die Station gelaufen. Oder die alten Arzneiverpackungen, aus denen haben wir Puppenhäuser gebaut. Schwester Olga hat dann mit mir stundenlang im Spielzimmer gespielt.
TM: Klingt ja mehr nach Kinderhaus als Krankenhaus.
CE: Das war auch wichtig so. In München war ich – wie auch alle anderen Kinder – die meiste Zeit alleine. Unsere Eltern mussten ja den Alltag organisieren. Job, Haushalt und es gab ja auch meine beiden Schwestern. Zum Glück waren alle im Krankenhaus so etwas wie eine Ersatzfamilie. Wir Kinder saßen mit in der Küche, wenn das Essen zubereitet wurde. Und wenn eines der Kinder von seinen Eltern Besuch bekommen hat, haben sie auch mir ein kleines Geschenk mitgebracht.
*GINKGO
Das Wahrzeichen der Tour Ginkgo ist das Blatt des Ginkgobaums. Der Baum stammt aus Asien und war nach dem verheerenden Atombombenabwurf 1945 in Hiroshima der erste Baum, der wieder anfing, gesunde Blätter zu tragen. Der Ginkgo ist damit ein Symbol für Widerstandskraft und unbesiegbaren Willen zu Überleben und wurde deshalb als Wahrzeichen für die Tour Ginkgo gewählt.
CE: Der Kampf gegen die Krankheit ist das eine, aber wieder im Leben anzukommen, ist ein ebenso schwerer Weg. Und so sehr ich die Zeit im Krankenhaus auch genossen habe, war es doch die größte Herausforderung, mich und meine Familie nach der Entlassung wieder ins normale Leben zu integrieren. 1971 wurde ich im Alter von sieben Jahren eingeschult. Und das mit einem Schulranzen und einer Schultüte, die leer waren. Ich hatte nicht die Kraft, auch noch den Inhalt zu tragen, so schwach war ich von der Krankheit. Meine Mutter hat mir erzählt, dass sie große Sorgen vor der Schule hatte, denn Kinder können manchmal leider grausam zueinander sein. Zumal ich auch noch eine Perücke tragen musste. Und damals hat man das noch von Weitem erkennen können. Als es mir im Sommer heiß unter der Perücke wurde, habe ich sie einfach abgezogen und an die Garderobe gehängt. Dass das für die anderen Kinder scheinbar das Normalste der Welt war, ist im Nachhinein ein riesengroßes Geschenk für mich gewesen.
*SOZIALMEDIZINISCHE NACHSORGE
Die Sozialmedizinische Nachsorge unterstützt Familien schwerkranker Kinder und Jugendlicher dabei, ihr Leben nachdem Krankenhausaufenthalt zu gestalten. Das kann z.B. Beratung, Hilfe bei der Suche nach passenden Ärzten oder Therapeuten oder auch praktische Hilfe im Alltag beinhalten. Das Ziel ist es, den Menschen dabei zu helfen, wieder ein selbstbestimmtes und möglichst gesundes Leben zu führen.
TM: So schwach wie du warst, musste man ja bestimmt immer Angst haben, dass du dich mit anderen Krankheiten ansteckst. Du warst ja auch nach dem Krankenhaus bestimmt weiterhin bei allen möglichen Untersuchungen.
CE: Sobald meine Eltern hier von einer Kranheitswelle hörten, hieß es für mich ab nach Hamburg zu lieben Bekannten. Da war ich dann in Sicherheit. Überhaupt musste ich erst jedes viertel Jahr, später dann jährlich zu Nachuntersuchungen. Das ging, bis ich 15 Jahre alt war. Auch daran sieht man, dass so eine Krankheit nicht an der Krankenhaustür aufhört. Das erlebt und durchlebt zu haben, ist mir Berufung, mich um die Nachsorge und die Projekte zu kümmern, die die Familien kranker Kinder im Alltag unterstützen. Und genau diese Projekte sind es auch, die wir mit der Tour Ginkgo unterstützen. Und ich bin jedes Jahr aufs Neue glücklich und dankbar für all die Spenden, die gesammelt werden.
TM: Wir sind seit 2017 Pate der Tour Ginkgo. Seitdem radle ich jedes Jahr auch selbst bei der Tour mit. Zudem spenden wir, verkaufen Ginkgo-Cookies und stellen immer wieder Spendenbüchsen in unseren Bäckerei-Cafés auf. Die Kraft der Gemeinschaft konnte ich dabei von Anfang an spüren. Und wenn ich sehe, welche hohe Summen wir durch die Spenden zusammenradeln, kann ich mich nur immer wieder riesig freuen.
*OLGÄLE SORGT NACH
„Olgäle sorgt nach“ ist ein sozialmedizinisches Nachsorgeprojekt des Olgahospitals Stuttgart. Es bietet Familien von schwerstkranken Kindern eine individuelle Betreuung durch eine Pflegekraft und/oder eine Sozialpädagogin an, die sie nach dem Krankenhaus-aufenthalt zu Hause unterstützt. Die Betreuung umfasst zum Beispiel medizinische und pflegerische Unterstützung, Beratung und Hilfe bei der Organisation des Alltags und der Bewältigung von Belastungen. Das Ziel von „Olgäle sorgt nach“ ist es, die Familien zu entlasten und ihnen dabei zu helfen, den Übergang vom Krankenhaus nach Hause gut zu bewältigen. Bei der Tour Ginkgo 2023 werden Spenden für dieses Projekt gesammelt.
TM: Es ist immer wieder ein tolles Erlebnis, gemeinsam durch das Remstal zu radeln. Und dass wir drei Tage am Stück für einen guten Zweck unterwegs sind, schweißt zusammen. Während der Tour machen wir ja immer Halt an verschiedenen Stationen. Der Stopp in Mühlhausen im Täle ist mir ganz besonders im Gedächtnis geblieben. Ist ein beschaulicher Ort mit etwas mehr als 1.000 Einwohnern. Und als wir auf den Rathausplatz rollten, waren gefühlt alle da. Ein Riesenspektakel mit den Vereinen, Schulklassen, dem Kindergarten, der Feuerwehr und was weiß ich sonst noch. Es gab Essen und Trinken, sogar Reden und Vorführungen. Und die Höhe an Spenden war der Wahnsinn. Das beschreibt diese besondere Kraft der Tour Ginkgo am allerbesten.
CE: Eine große Kraft liegt auch in der Regionalität. Wir haben festgestellt, dass wir mehr erreichen können, wenn wir in der Region bleiben.
TM: Ich habe viele positive Erfahrungen damit gemacht, regional aktiv zu sein. Das beherzigen wir auch bei unseren Backwaren. Zum Beispiel nutzen wir für unsere Brote nur unser garantiert ungespritztes Maurerkorn® vom Schmidener Feld. Und Regionalität bedeutet auch, dass unsere Bäckerei-Cafés nur in einem Bereich von rund 20 km rund um die Backstube liegen. Auch alle sozialen Projekte und Initiativen, die wir unterstützen, sind hier in der Region. Denn sicher ist: Je regionaler man unterwegs ist, desto stärker sind die Netzwerke und die Verbundenheit und auch die Identität mit den Projekten. Das immer wichtiger werdende Thema Nachhaltigkeit, wird unserer Erfahrung nach ernster genommen, wenn es vor Ort spürbar wird, wie wichtig die Natur für uns ist.
CE: In der Region gibt es so viel zu tun, weil es auch so viele Interessen und Initiativen gibt. Bei der Tour Ginkgo wirken sogar Parteien mit. Das Regierungspräsidium genehmigt uns nicht nur die Tour, sondern ermöglicht es uns sogar, mit nur grünen Ampeln durch die Region zu radeln. Im Kleinen, sprich der Region, kann man das noch machen. Und wir können uns gegenseitig aufeinander verlassen. Stell dir vor, wir müssten jedes Mal wieder aufs Neue Sponsoren suchen und den Kontakt zu den Verwaltungen herstellen – ein Ding der Unmöglichkeit. Ich habe mich daher sehr gefreut, als der Bäcker Maurer 2017 als Stiftungspate* bei der Tour Ginkgo eingestiegen ist. Denn ihr seid ja für eure Treue bekannt. Dieses Jahr seid ihr sogar Jahrespate und spielt eine ganz bedeutende Rolle für die Tour.
*STIFTUNGSPATEN
Sie sind ein wichtiger Träger der Tour. Sie sind nicht nur Sponsoren, sondern durch den persönlichen Einsatz der Geschäftsführer auch intensive und langjährige Partner. Neben dem Bäcker Maurer konnte die Tour Ginkgo auch die Hahn Automobile, Paul Lange, die SDK Stiftung, stoba und Ritter Sport als Partner gewinnen.
TM: Das soziale Engagement ist tief in meiner Familiengeschichte verankert. Ich erinnere mich immer gerne an die Geschichten, die meine Oma Anna, Frau von Firmengründer Gottlob Maurer, erzählt hat. Die Anfänge als Bäcker waren sehr schwer. Und als sie einmal sage und schreibe 28 Mark in der Kasse hatten, haben sie und mein Opa sich eine Rote Wurst gegönnt. Aber nicht eine für jeden, sondern eine Rote für zwei! Und auch wenn die Anfänge schwierig waren, hat meine Oma immer nach den Anderen geschaut. Sie hat erzählt, dass es manchmal Tage gab, an denen sie mehr Brezeln verschenkt als verkauft hat. Meine Oma hatte ein großes Herz, wenn nicht sogar das Größte, das ich kenne. Nicht nur deswegen ist es mir wichtig, etwas an all die weiterzugeben, die es besonders gebrauchen können – weil sie’s besonders schwer haben. Und das mache ich als Pate der Tour Ginkgo gerne. Sogar sehr gerne. Ich bin gespannt, was uns dieses Jahr erwartet. Aber erst müssen wir noch ein Event nachholen, welches durch die Coronapandemie leider verschoben werden musste.
CE: Ja, Tobi, die Scheckübergabe der Tour Ginkgo 2019. Die gesammelten Spenden gehen in diesem Jahr an das Projekt „Bunter Kreis“* der Rems Murr-Kliniken in Winnenden. Also ein Projekt quasi direkt vor der Backstubentür. Wir konnten 2019 unglaubliche 180.000 € für das Projekt sammeln und können den Scheck nun endlich überreichen
*BUNTER KREIS
Die Tour Ginkgo sammelte 2019 Sepnden für den Bunten Kreis der Rems-Murr-Kliniken in Winnenden. Das Nachsorgeteam des Bunten Kreises hilft Eltern von Frühgeborenen oder schwerkranken Kindern und Jugendlichen dabei, ihren Weg zurück in den Alltag zu finden. Das Projekt arbeitet eng mit dem Krankenhaus zusammen und bietet Unterstützung und Beratung sowohl während des Krankenhausaufenthalts als auch nach der Entlassung an. Das Projekt finanziert sich durch Spenden.
TM: Liebe Chris, auch hier sehen wir wieder, was für großartige Beträge wir sammeln können, wenn die Idee und die Umsetzung großartig sind. Und das ist bei deiner Stiftung zweifellos der Fall. Vielen Dank, dass du heute mein Gast hier auf der Ofenbank warst. Und ich glaube, ich kann für alle sprechen und dir in aller Form danken, dass du dich mit so viel Energie und Ausdauer für die Kinder und ihre Familien in der Region einsetzt. Wir sehen uns gleich bei der Scheckübergabe wieder und danach allerspätestens Ende Juni, wenn wir in unseren gelben Trikots wieder durch die Region radeln und Spenden sammeln.
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