Brot ist viel mehr als ein Grundnahrungsmittel – es ist ein Genussmittel, ein Kulturgut, ein Lebensbegleiter, ja im Idealfall ein Glücksgefühlbringer. Ob der betörende Duft einer frisch gebackenen Kruste, die saftige Textur der Krume oder der unvergleichliche Geschmack eines aromatischen Älbler Steinofenbrots. Brot spricht all unsere Sinne an. Doch wie genau erleben wir Brot? Welche Rolle spielen Geruch, Geschmack und das Gefühl? Und wie entstehen die Aromen, die Brot so besonders machen? Lassen Sie uns gemeinsam auf eine Entdeckungsreise durch die Welt der Sensorik gehen.
Was ist Geschmack und wie entsteht er?
Geschmack ist ein Zusammenspiel mehrerer Sinneseindrücke, bei dem Sehen, Riechen, Schmecken, Fühlen und sogar Hören eine Rolle spielen. Unser Gehirn ist ein Meister der Verknüpfung. Nur wenn alle Sinne zusammenarbeiten, entsteht ein vollständiges Bild des Geschmacks.
Mit den Geschmacksrezeptoren auf der Zunge nehmen wir die fünf Grundgeschmacksrichtungen wahr: süß, salzig, sauer, bitter und umami. Das eigentliche Aroma jedoch, das wir mit fruchtigen, nussigen oder röstigen Noten verbinden, nehmen wir durch das sogenannte retronasale Riechen wahr.
Sehen
Der visuelle Eindruck ist der erste Sinneseindruck beim Brot: Farbe, Porung und Form geben Hinweise auf Textur und Zutaten. Ein dunkel gebackenes Roggenbrot wirkt kräftig, während ein helles Baguette Leichtigkeit vermittelt.
Hören
Der Klang der Kruste beim Brechen offenbart Frische und Textur. Knackige Krusten entstehen durch die Maillard-Reaktion, die Zucker und Aminosäuren in röstige Aromen und Crunch verwandelt. „Das Hören der Kruste ist ein Einstieg in das Erlebnis Brot,“ betont Prof. Vilgis, Experte für die Wissenschaft der Aromen. „Eine kräftige Kruste lässt uns ein intensiveres Geschmackserlebnis erwarten.“
Riechen
Der Duft ist der Schlüssel zur Aromaentfaltung. Sauerteigbrot duftet oft fruchtig-säuerlich, ein Ergebnis von Fermentation und Backprozess, bei dem zahlreiche flüchtige Verbindungen freigesetzt werden.
Schmecken
Die Zunge nimmt süße, saure, salzige, bittere und umami Noten wahr. Die Kruste eines kräftig gebackenen Brotes schmeckt oft leicht bitter, während die Krume eine feine Süße oder Säure besitzen kann. Oben haben Brote malzige und getreidige Röstaromen, unten – je nach Rezeptur – Mokka- bis Popcorn-Aromen.
Fühlen
Das Mundgefühl beeinflusst den Genuss maßgeblich: Eine lockere Krume wirkt luftig, eine dichte sättigend. Die Kombination aus knuspriger Kruste und weicher Krume macht den Biss in ein frisch gebackenes Brot zu einem vollständigen Genussmoment.
Die Welt der Aromen: Vielfalt und Tiefe!
Aromen sind komplexe Moleküle, die durch chemische Reaktionen freigesetzt werden und unser Geschmackserlebnis prägen. Aroma ist eine Mischung aus Geschmack und Geruch. Die retronasale Wahrnehmung spielt hierbei die Hauptrolle: Während des Kauens gelangen flüchtige Moleküle von der Mundhöhle in den Nasenraum und verbinden sich dort mit den Geruchsrezeptoren.
Das Ergebnis ist eine Geschmacksexplosion, die weit über das hinausgeht, was die Zunge alleine erfassen könnte. „80 % des Geschmacks sind Geruch“, erklärt Prof. Thomas Vilgis. „Ohne den Geruch wäre unser Eindruck von Brot eindimensional.“ Und wiederum 80 % des Brotaromas befinden sich in der Kruste.
Die Entstehung der knusprigen Brotkruste ist ein wahres kleines Wunder der Wissenschaft – und gleichzeitig ein Tanz zwischen Hitze, Feuchtigkeit und Chemie.
Wir erkunden es gemeinsam Schritt für Schritt:
1. Der Ofen als Bühne
Die Kruste entsteht nur unter großer Hitze. Im Ofen wird die Brotoberfläche extrem heiß – oft bis zu 200 – 250 ° C. Diese Hitze trocknet die äußere Schicht des Teigs schnell aus, was später die Basis für die knackige Kruste wird.
2. Maillard-Reaktion – der Künstler am Werk
Hier beginnt die Magie! Wenn die Temperatur über 140 ° C steigt, startet die sogenannte Maillard-Reaktion. Das ist ein chemischer Prozess, bei dem Zucker und Proteine aus dem Mehl und der Kruste miteinander reagieren. Diese Reaktion verleiht der Kruste ihre braune Farbe, ihren verführerischen Duft und das intensive Aroma, das wir lieben.
Wir können es uns wie ein Konzert vorstellen: Zucker und Proteine sind die Musiker, und die Hitze des Ofens ist der Dirigent, der alles zusammenbringt.
3. Feuchtigkeit – der geheime Zutatenspender
Der Dampf im Ofen spielt eine entscheidende Rolle. Am Anfang der Backzeit hilft der Dampf, die Oberfläche des Teigs geschmeidig zu halten, sodass das Brot schön aufgehen kann. Sobald der Dampf jedoch verschwindet, trocknet die Oberfläche aus und bildet eine feste, knusprige Schicht.
4. Die Rolle der Stärke
Die Stärke im Mehl ist wie ein Architekt. Während das Wasser verdunstet, bildet die Stärke eine Art Gel, das sich verfestigt und zur Stabilität der Kruste beiträgt. Diese Schicht wird bei weiterer Hitzeeinwirkung immer härter – der Moment, in dem die Kruste ihre perfekte Textur erhält.
5. Hören, Sehen, Fühlen
Ein Brot mit perfekter Kruste „erzählt“ dir, dass es fertig ist: Es knistert leicht, wenn es aus dem Ofen kommt, es hat eine satte goldbraune Farbe und fühlt sich knackig an.
Zusammengefasst entsteht die Brotkruste durch eine Kombination aus Hitze (zum Trocknen und Rösten), Dampf (zur Kontrolle der Textur) und der Maillard-Reaktion (für Geschmack und Farbe). So wird das einfache Brot zu einer sinnlichen Erfahrung für alle Sinne!
Warum macht Sauerteig Brot aromatischer?
Die Fermentation im Sauerteig produziert neben Milchsäure auch Essigsäure und andere organische Säuren, die den Geschmack intensivieren und die Haltbarkeit des Brotes verlängern. Die Aromenvielfalt im Sauerteigbrot ist dadurch deutlich größer als bei schnell fermentiertem Hefegebäck.
Wie entstehen die Aromen im Brot?
Die Aromenvielfalt eines Brotes beginnt bereits bei der Auswahl der Zutaten und setzt sich während des gesamten Backprozesses fort:
Die Rohstoffe:
- Maurerkorn: Jede Getreidesorte bringt eigene Aromen mit sich. Wir verwenden für unsere Brote ausschließlich unser ungespritztes Maurerkorn aus dem Rems-Murr-Kreis. Roggen hat erdige, malzige Noten, während Weizen nussig und mild schmeckt. Dinkel betont süßlich-nussige Töne.
- Belebtes Elisa Wasser: Die Mineralzusammensetzung des Wassers beeinflusst die Teigstruktur und damit auch die Aromenbildung. In unserer Backstube verwenden wir belebtes Elisa Wasser, das durch seine Reinheit die Qualität des Brotes unterstützt.
- Quellsalz: Wir setzen auf hochwertiges Quellsalz, das dem Brot eine feine und ausgewogene Geschmacksnote verleiht.
- Sauerteig oder Hefe: Sauerteig sorgt für komplexe, leicht säuerliche Aromen, die durch die Fermentation entstehen und das Brot besonders bekömmlich machen.
Die Fermentation:
Der Teig geht während der Fermentation buchstäblich auf Entdeckungsreise. Durch die Aktivität von Hefen und Milchsäurebakterien entstehen Gase, die den Teig lockern, sowie organische Säuren, die den Geschmack intensivieren. Milchsäure bringt sanfte Säure, während Essigsäure für eine kräftigere Note sorgt. Fermentationszeit und ‑temperatur sind entscheidend: Ein langsam gereifter Teig hat mehr Zeit, Aromen zu entwickeln und ist bekömmlicher.
Das Backen:
Im Ofen entfaltet sich die Magie. Die Hitze löst die sogenannte Maillard-Reaktion aus, bei der Zucker und Aminosäuren zu unzähligen Aromen verschmelzen. Diese Reaktion ist für die röstigen, karamelligen Noten der Kruste verantwortlich. Gleichzeitig entstehen durch die hohe Hitze fruchtige und nussige Aromen.
Brot & Käse: Geschmackspaare für Feinschmecker
Die Verbindung von Brot und Käse ist ein Klassiker in der kulinarischen Welt. Beide Produkte werden traditionell hergestellt und bieten eine enorme Bandbreite an Aromen. Durch das Zusammenspiel von Texturen und Geschmacksprofilen entstehen harmonische oder auch kontrastreiche Kombinationen, die den Genuss steigern. Tobias Maurer hat in seiner Abschlussarbeit zum Brotsommelier Geschmackspaarungen probiert. Hier sind einige herausragende Kombinationen:
Dinkel-Vollkornbrot &
Jura Comté
Die leicht süßlichen Noten des Dinkelbrotes balancieren die kräftigen, bitteren Aromen des Jura Comté aus. Diese Kombination überzeugt mit einem harmonischen Spiel aus cremiger Textur und intensiven Geschmacksnoten, die durch den langen Reifeprozess des Käses entstehen.
Nussbrot &
Oberstdorfer Bergkäse
Das Nussbrot, angereichert mit Wal- und Haselnüssen, ergänzt die schwefligen und kräftigen Aromen des Bergkäses perfekt. Die röstigen und nussigen Nuancen des Brotes werden durch die würzige Intensität des Käses verstärkt, was zu einer vollmundigen Geschmackstiefe führt.
Bauernbaguette &
Gorgonzola Dolce
Das Bauernbaguette überzeugt durch seinen ausgewogenen und dezenten Geschmack, der dem Gorgonzola Raum gibt, seine charakteristische Bitternote voll zur Geltung zu bringen. Gleichzeitig harmoniert es perfekt mit der feinen Umami-Aromatik des Käses und fängt diese geschmacklich gekonnt ein.
Schwäbisches Schnitzbrot &
Parmigiano Reggiano
Das fruchtig-süße Schnitzbrot mit seinen Trockenfrüchten und Nüssen harmoniert überraschend gut mit der salzigen, umami-betonten Tiefe des Parmesans. Die Vielseitigkeit des Schnitzbrotes, bei dem jeder Bissen eine neue Kombination aus Frucht und Röstnoten bietet, ergänzt die intensiven Aromen des Hartkäses auf einzigartige Weise.
Quellen:
Aroma: Die Kunst des Würzens – Thomas Vierich, Thomas Vilgis
Die Sprache des Brotes – Michael Kleinert, Bernd Kütschner
Food-Pairing mit Brot & Käse – das Konzept – Tobias Maurer
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